Zu schnell, zu kompliziert, zu sprunghaft: In Vorlesungen verlieren Studenten schnell den Faden. An der TU Freiberg können sie dann direkt Kontakt zu ihrem Professor aufnehmen – über eine Smartphone-App, anonym und in Echtzeit.
Eine Grundlagenvorlesung in Informatik, Universität Bergakademie Freiberg, Sachsen. Ein Student tippt auf seinem Smartphone herum. Keine SMS an Freunde, kein Checken von Fußballergebnissen. Der Erstsemester steuert via Handy seinen Professor vorne am Pult.
Seit diesem Wintersemester sind die Studenten über ihre Smartphones und Tablets direkt mit dem Dozenten verbunden. Mit einem neuen Feature der schon länger bestehenden myTU-App können die Studenten jetzt in Echtzeit – also während der laufenden Vorlesung – ihren Professor bewerten und mit ihm kommunizieren. Über Smileys signalisieren sie, ob er die Lehrinhalte verständlich und mit geeigneter Geschwindigkeit vermittelt.Und für den Notfall wurde das Feature mit einem Stopp-Knopf ausgestattet. „Sollten innerhalb von zwei Minuten mehrere Studenten diesen Knopf drücken, bekommt der Dozent einen akustischen oder optischen Hinweis, dass viele das aktuelle Thema nicht verstanden haben und er es noch einmal erklären sollte“, sagt Entwickler Frank Gommlich. Der Doktorand hat gemeinsam mit Studenten die App entwickelt und nach und nach aufgerüstet.
Ziel sei es, die Studenten stärker in die Vorlesung einzubeziehen, sagt Konrad Froitzheim, Professor für Betriebssysteme und Kommunikationstechnologie. „Gerade in großen Vorlesungen trauen sich viele Studenten nicht, sich zu melden, wenn sie etwas nicht verstanden haben.“ Bei dem Bewertungssystem via Handy bleiben die Absender grundsätzlich anonym.
Das Bewertungssystem per Mobiltelefon helfe auch den Lehrkräften, sagt Froitzheim. So könnten sie direkt die Stimmungslage im Raum abfragen und darauf reagieren. Er selbst habe ständig sein Smartphone auf Empfang und schaue in regelmäßigen Abständen, ob sich die Studierenden gemeldet haben und wie sie das aktuelle Vorlesungstempo bewerten, sagt er. Störend sei das nicht, nur eine Konzentrations- und Übungsfrage. „Ich würde mir wünschen, die Studenten würden die App noch häufiger nutzen“, sagt Froitzheim, der als Informatikprofessor ohnehin ein Faible für moderne Kommunikationsmethoden hat.
6000 der 6100 TU-Angehörigen haben die App installiert
Demnächst soll es auch möglich sein, über die App kurze Fragen an den Dozenten zu schicken – vorausgesetzt, man hat ein Smartphone. Daran scheint es aber nicht zu scheitern: Von den 5.698 Studenten, 86 Professoren und 316 wissenschaftlichen Mitarbeitern hätten insgesamt 6.000 die Uni-App installiert und würden sie regelmäßig nutzen, sagt Gommlich.
Getestet und ausgewertet wird das System zunächst nur in der Informatik-Einführungsvorlesung. Freigeschaltet sei es aber für alle Vorlesungen an der Berguni, sagt Gommlich. Missbrauch befürchten die Erfinder nicht. Die App funktioniert nur im Hörsaal, wo die Vorlesung gerade läuft. Über GPS oder WLAN-Spots könne genau erfasst werden, ob der Student auch wirklich anwesend sei.
Die gesamte myTU-App ist bereits seit Oktober 2011 verfügbar, zunächst nur mit Vorlesungs- und Lagepläne der Uni. Später kam das bis heute beliebteste Feature, der Speiseplan der Mensa hinzu. Zudem wurde die Datenbank der Bibliothek verknüpft, Studenten können so Titel recherchieren und erhalten Hinweise zu bestellten oder überfälligen Büchern.
Quelle: Nils-Eric Schumann, dapd/lgr – SpiegelOnline